Sonntag, 25. Februar 2007

(...)

****Wetterumschlagplatz. Ich tausche atlantische Tiefausläufer gegen beständiges Ostwetter.***

In der U-Bahn suche ich nach unglücklichen Gesichtern. Das ist ganz einfach, ich muss nur hochgucken. Eine ganz links sieht aus als hätte sie gerade geweint. Das Paar weiter rechts versucht gegenseitigen Blicken zu entkommen. Ein Mädchen hat die Augen und die Mundwinkel nach unten gesenkt. Mir gegenüber sitzt eine Frau, die sieht fast zufrieden aus. Nur ihre Fingernägel ruinieren alles. Alle versuchen durch alle hindurchzusehen. Grosstadthöflichkeit. Ich sehe dich nicht, weil du mich nicht siehst.

Mein Blick versucht die Regentropfen als Vergrösserungsglas zu benutzen - ich fahre sowieso nur zwei Stationen. Ich rede auch gar nicht mehr mit ihm. Nochnichtmal so Kleinigkeiten. Tür auf. Tür zu. Höchstens ein hallo. Und die Absprachen. Aber nichts anderes keine Bemerkung über das Bahnfahren und die Frau mit dem Akkordeon, nichts über meine Familie, nicht mal ein Satz über das Wetter. Es soll kein Einfallstor geben, nochnichtmal einen Haarriss im Plexiglas called former love. Er soll nicht andocken können irgendwo, nicht erleichtert sein, dass es zumindest Smalltalk geben darf. Der später, wenig später, schon Platz für anderes bietet, wenn auch nicht für das Wesentliche.

Neulich abend, eines der letzten Gespräche, das war wie im Beichtstuhl, ich diesmal der Pfarrer war. So müssen die sich fühlen denke ich, wenn ehrbare Gemeindemitglieder verschämt erzählen, ein klein wenig den Vorhang heben und die Stimme senken. In die Augen gucken, kann er mir nämlich nicht. Das kann er nie.
'Im August', fängt er an, 'da war da noch diese Transsexuelle'.
Ich darf jetzt nichts sagen. Höchstens ein bisschen ermuntern, so wie es die Pfarrer tun, sonst erzählt er gleich überhaupt nichts, wo ich doch eh schon weiss, dass ich wieder nur eine bereinigte Version bekomme.
'Ich war nachts in der Bar, natürlich um zu schreiben, und da hat sie mich angesprochen.'
Schweigen. Ermunterung.
'Ja und ich hab die so ein paar Mal getroffen, weil ich war so neugierig, weil ich hatte ja noch nie Kontakt zu so jemandem.'
Hattest du doch, sage ich, du hast sogar mal mit einer Sex gehabt. Da sagtest du auch, du wärst halt neugierig gewesen. Die hattest du aus so einem Internetkatalog und musstest raus aufs Land fahren.
'Ach so ja, aber diesmal, da lief ja nichts. Die fand mich nur gut und ich fand sie interessant eben. Die sah so 80er aus. Interessant eben. Aber da war dann nichts weiter. Wir wollten mal zusammen kochen, aber mir war klar, die will was von mir und da hab ich abgeblockt, du weisst schon, wegen uns.'
So, sage ich, und erzählt haste mir nichts, weil?
'Na ja, war ja nichts. Ich wollte nicht, dass du denkst, da wär was gewesen und eigentlich wollte ich ja nur was schreiben dort.'

Ganz vieles rennt mir durch den Kopf. Alles auf einmal und ungeordnet, wie Menschen samstags im Einkaufszentrum. Dass Schweigen gehaltvoller ist als Reden, weil die wichtigen Dinge die ungesagten sind. Dass du viel redest, aber dein Reden mehr so eine Oberfläche ist zum Abgleiten und dass du soviel Schiss vor allem hast. Ich denke, wie traurig es ist, dass eine_r Operationen machen lässt um auch vom Material her dem Wunschgeschlecht zu entsprechen und wie sie nachher doch wieder *die Transsexuelle* ist, ein bisschen so wie der Elefantenmensch hört sich das an...'ich war neugierig auf so eine' und wie soviel verklemmte Sexualität dahinter steckt und ich denke an den Sticker den ich mal gemacht habe aus dieser Schlagzeile der Süddeutschen Zeitung.

Am meisten denke ich aber darüber nach, wie vorbei es mit uns ist. So vorbei, dass es ein neues Wort dafür braucht. Das ist ein Zitat aus einer ganz dämlichen Fernsehserie. Aber sogar das passt jetzt. Wir waren mal hart und peinlich (thank you C.P.), jetzt fehlen die Vokale.
Ich stelle mich ein Stück zur Seite. Du hast es nichtmal bemerkt glaube ich.
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